Massenentlassungen nach § 17 KSchG

Durch die Rechtsprechung des EuGH ist bei der Berechnung der Schwellenwerte nunmehr nicht mehr der Arbeitnehmerbegriff des KSchG, sondern wegen der europäischen Massenentlassungsrichtlinie (RL 98/59/EG) der weitere unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu berücksichtigen.

Demnach sind grundsätzlich auch Fremdgeschäftsführer und Praktikanten als „Arbeitnehmer“ zu qualifizieren und bei der Berechnung der Schwellenwerte zu berücksichtigen (EuGH 09.07.2015 – C-229/14).

Beabsichtigt der Arbeitgeber, innerhalb von 30 Kalendertagen Arbeitnehmer in einer Anzahl zu entlassen, die die Angaben des § 17 Abs. 1 KSchG bzw. der RL: 98/59/EG übersteigt, so muss er dies bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß anzeigen. Zuvor hat er die geplanten Massenentlassungen nach § 17 Abs. 2 KSchG dem Betriebsrat unter Zuleitung einer Kopie der Anzeige mitzuteilen, um mit ihm darüber zu beraten.

Der Betriebsrat hat sodann nach § 17 Abs. 3 KSchG das Recht (von dem auch unter bestimmten Voraussetzungen aus taktischen Gründen Gebrauch gemachten werden sollte) und die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, die der Arbeitgeber zusammen mit seiner Anzeige an die Agentur für Arbeit weiterleiten muss.

Der Massenentlassungsanzeige muss eine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt sein, § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG; nur dann ist die Anzeige der Massenentlassung wirksam, ansonsten liegt eine unwirksame Anzeige vor, das Arbeitsverhältnis wird durch die Kündigung nicht aufgelöst.

Entlassungen vor Ablauf eines Monats nach dem Eingang der Anzeige werden nach § 18 Abs. 1 KSchG nur wirksam, wenn eine Zustimmung der Agentur für Arbeit vorliegt!

Beachte:

§ 18 KSchG stellt somit für den Arbeitgeber eine Gefahr dar, wenn er die Massenentlassungsanzeige unterlässt oder sie erst kurz vor dem vorgesehenen Entlassungstermin bei der Agentur für Arbeit eingeht, da er dann für den verlängerten Entlassungszeitraum noch zur Zahlung der Löhne und Gehälter verpflichtet ist. Im Einzelfall kann die Unwirksamkeit von Entlassungen durch eine Entscheidung der Agentur für Arbeit auch für einen Zeitraum von zwei Monaten nach Eingang der Massenentlassungsanzeige bestimmt werden, § 18 Abs. 2 KSchG.

  • Vorlage der Massenentlassungsanzeige beim Betriebsrat mehr als zweieinhalb Monate vor dem vorgesehenen Entlassungstermin :

hier hat eine negative Stellungnahme des Betriebsrats keine Auswirkung auf den Zeitpunkt der Entlassungen, dennoch sollte der Betriebsrat eine Stellungnahme gegenüber der Agentur für Arbeit abgeben, um in seiner Haltung zur Betriebsänderung glaubwürdig zu bleiben. Außerdem kann die Stellungnahme unter Umständen auch für die Formulierung späterer Widersprüche zur Kündigung verwendet werden. Diese Stellungnahme sollte dabei mit den Positionen in den Interessenausgleichsverhandlungen übereinstimmen.

  • Massenentlassungsanzeige erst kurz vor den vorgesehenen Entlassungstermin:

hier kann der Betriebsrat durch die Ausschöpfung der Frist von zwei Wochen für die Stellungnahme und durch eine negative Stellungnahme den Entlassungstermin für die betroffenen Arbeitnehmer möglicherweise herausschieben.  Von dieser Möglichkeit wird er insbesondere dann Gebrauch machen, wenn er vom Arbeitgeber vor vollendete Tatsachen gestellt wird oder Alternativen zu den vorgesehenen Entlassungen sieht.

Merke:

Schätzt der Arbeitgeber die Notwendigkeit einer Massenentlassungsanzeige falsch ein, bringt es weder dem Beschäftigten etwas, wenn der Betriebsrat zu früh auf diese Fehleinschätzung hinweist, noch ihm selbst. Hier ist es besser, wenn der Arbeitgeber durch seinen Fehler unter Zeitdruck gerät und von ihm geplante Kündigungstermine nur gehalten werden können, wenn gemeinsam die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich vor der Massenentlassungsanzeige abgeschlossen wird. Eine solche Beschleunigung ist für den Betriebsrat meist mit Vorteilen verbunden und kann durchaus zu einem besseren Sozialplanvolumen führen!