Ein Interessenausgleich – sowie der dazu gehöhrende Sozialplan – bei einer Fluggesellschaft, der aus dem Jahre 2015 stammt, erfasst als konkrete Änderung des Flugbetriebes jedenfalls nicht die coronabedingte Stilllegung des gesamten Flugbetriebs, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs gerade einmal die Neuausrichtung des Flugbetriebes hin zum Wet-Lease-Operator unter möglicher Schließung einzelner Stationen zu nicht näher definierten Zeitpunkten geplant war.

Der Sozialplan aus dem Jahre 2015 kann daher nicht die sozialen Nachteile der Arbeitnehmer mildern, die mit der nunmehr geplanten Stilllegung des gesamten Flugbetriebes verbunden sind.

Hierzu führte das Gericht aus:

Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BAG, ist ein Interessenausgleich iSv. § 112 BetrVG bzw. § 112 TV PV – im Unterschied zu einem Sozialplan, der seinem Gegenstand nach auf die Beseitigung zukünftiger Nachteile infolge einer Betriebsänderung gerichtet ist und der auch grundsätzlich abstrakt-generelle Regelungen enthalten kann – seiner Natur nach auf den Einzelfall bezogen, denn durch ihn soll der Betriebsrat – bzw. vorliegend eine Personalvertretung – Einfluss auf die Gestaltung einer konkreten Betriebsänderung nehmen können. Dies schließt vorweggenommene Regelungen für künftige, in ihren Einzelheiten noch nicht absehbare Maßnahmen aus, so dass ein Interessenausgleich nicht abstrakt-generell für künftige Fälle im voraus abgeschlossen werden kann (BAG, 26.08.1997 – Az: 1 ABR 12/97). Ein Interessenausgleich kann nicht „auf Vorrat“ oder „vorsorglich“ abgeschlossen werden. In einer solchen Regelung läge in Wirklichkeit ein (unzulässiger) Verzicht auf die Mitgestaltung der künftigen Betriebsänderung und damit auf die gesetzlichen Beteiligungsrechte hinaus. Voraussetzung für einen Interessenausgleich ist vielmehr, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Planungen des Arbeitgebers so konkret sind, dass mit dem Betriebsrat darüber verhandelt werden kann, ob überhaupt, ggf. wann und in welcher Weise die vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll. Die bloße Möglichkeit einer Stilllegung bzw. entsprechender Entlassungen für den Fall, dass die Fortführung oder Veräußerung eines Betriebsteils nicht gelingt, genügt diesen Anforderungen an eine konkrete Betriebsänderung in der Regel nicht. Gegenstand der Beratung zwischen den Betriebspartnern über eine vom Unternehmer geplante Betriebsänderung und damit auch Inhalt eines möglichen Interessenausgleichs soll nicht nur die Frage sein, ob die Betriebsänderung überhaupt durchzuführen ist, sondern auch und gerade die Frage, ob die Betriebsänderung auch gegenüber den davon betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan, über den die Einigungsstelle nach § 112 Abs. 4 BetrVG bzw. § 112 Abs. 4 TV PV verbindlich entscheiden kann, knüpft vielmehr erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Erstreckt sich die geplante Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum und eine Vielzahl von Maßnahmen – Personalabbau, Stilllegung, sonstige Rationalisierungsmaßnahmen – , so kann ein Interessenausgleich auch zunächst nur einen Teil dieser Maßnahmen zum Inhalt haben, sich auf einzelne Stufen erstrecken.

LAG Köln, 12.06.2020 – Az: 7 TaBV 69/19